Was einfach begann, wurde sehr rasch spannend, zwischendurch waghalsig (aber ungemein lehrreich) — und schliesslich ein äusserst erfreuliches & erfolgreiches Abenteuer; so erinnere ich mich an «Kunst im Kleinen». Der Funke entstand an Münzbörsen, wenn ich wie immer die Tische ablief: Mir fiel auf, wie die Medaillen von Hans Erni quer durch alle Schichten (und Portemonnaies) jung und alt ansprachen. Es gibt zwar auch seltene Exemplare — besonders die raren Goldstücke werden von Sammlern genau begutachtet, und man feilscht lange um den fairen Schlusskurs —, aber ein paar silberne sind in hohen Auflagen geprägt, deshalb knapp zum Preis einer Unze erhältlich und für jedermann zu haben. Mir bleibt ein Mädchen, das an der BERNA seine (wahrscheinlich über viele Monate zusammengesparten) Batzen abzählte und freudig gegen einen «Ikarus» tauschte: «Diä isch sooo schön — me cha se richtig gschpürä!».
M-5a, Verkehrshaus der Schweiz / Luft + Raumfahrt, 1972, Silber
Hans Erni und seine Kunst kannte ich aus früheren Begegnungen und dachte: Er schafft nicht elitär ausschliessende Kunst, er will den Menschen erreichen. Praktisch all seine grossformatigen Werke, die Lithographien und die Plakate sind erfasst und in Werkverzeichnissen katalogisiert, doch die kleinen Silberdinger werden von Autoren und Verlagen stiefmütterlich abgehandelt, sie sind kaum einen Absatz wert — eigentlich widersprüchlich, denn genau diese Medaillen sind allgegenwärtig; es wäre hübsch, dieser Kunst im Kleinen etwas Zeit zu widmen …
KiK-Sonderbrief «Die Sammlerin» (VP-20x) frankiert mit CH-30.1/.2,
ein seltener Probedruck (die Druckstufen)
Also entwarf ich im Spätherbst 1993 das Konzept für eine 16-seitige, bebilderte Broschüre in Schwarzweiss, und mein Drucker erstellte einen groben Kostenvoranschlag. Dann besprach ich den «business plan» mit einer Bank und drei Schweizer Münzhändlern, um die Finanzierung zu sichern und den Vertrieb zu organisieren. Schliesslich schrieb ich Hans Erni am 21. Januar 1994 meine Idee, denn ich wollte seine Zustimmung und ihn für eine allfällige künstlerische Unterstützung gewinnen. Drei Tage später antwortete er, und so kam es zu einem ersten Treffen in Luzern.
sparring partners — mit Doris Erni in einer fruchtbaren Auseinandersetzung
Dem folgten viele weitere, wöchentliche Besprechungen (via Fax oder Telefon tagtäglich), und es entstand eine enge Zusammenarbeit über fast eineinhalb Jahre. Aus dem Einfall, dem schmalen Heft entwickelte sich zunächst ein ausführlicher Katalog aller Medaillen, dann erweitert mit dem mächtigen Werkverzeichnis der philatelistischen Arbeiten (auf Vorschlag von Doris Erni, denn sie erkannte das Naheliegende) — und schliesslich wurde daraus ein Buch mit 320 Seiten und rund 500 Abbildungen. Das Projekt hatte den urspünglich kleinen Rahmen (sowie das entsprechende Budget) längst gesprengt, und so wurde es unter die Schirmherrschaft der Hans Erni-Stiftung gestellt.
mit Vreny Anderhalden zu Gast in der Wertzeichendruckerei der PTT
KiK wäre ohne Hans Ernis Beitrag nicht mal halb so gut gelungen. Der Gedankenaustausch mit ihm war wesentlich für die Struktur, das Setzen der Schwerpunkte und die begleitenden Texte. Wer mich kennt, weiss wie hartnäckig ich grübeln, fragen und «anstrengend» hinterfragen kann — Hans Erni hat mir nicht nur geduldig, sondern zuversichtlich seine Zeit gewidmet, und auch wenn wir nicht immer die selbe Sicht teilten (gerade in politischen Auseinandersetzungen), so waren die Gespräche stets freundschaftlich, fruchtbar und gespickt mit Humor.
Hans Ernis Vorschlag zum KiK-Einband, 1995
Kam ich mit neuen Ideen und Wünschen — die Signatur in Form eines Fisches, die Zeichnung eines Hufschmieds bei der Arbeit, der Jongleur beim Vorwort zum Philatelie-Teil usw. —, ich war willkommen. Hans Erni hatte weiss Gott noch anderes zu tun, aber sogar den Einband wollte ich aus seiner Hand, denn KiK sollte nicht mein, sondern unser Buch werden. Auch hier schenkte er mir seine Zeit und sein Können, erneut konnte ich das Entstehen eines Werks begleiten und von einem Profi lernen.
Prospekt Vorderseite, 1995 (inside) … und so wurde der Umschlag aufgebaut: |
Cyan |
Yellow |
C&Y |
Magenta |
C&Y&M |
Black |
C&Y&M&B |
final |
Nach getaner Schreibarbeit schlug mir Doris Erni vor, das gesammelte Gut zu zeigen. Obwohl mir solches nicht neu war (ich hatte bereits einige Ausstellungen gemacht), war es doch eine ziemliche Herausforderung, die ich aber mit ihrer Hilfe und der tatkräftigen Unterstützung ihrer Mitarbeiter meistern konnte. Auch dies ein bleibendes Erlebnis, gerade weil Doris Erni mir völlig freie Hand liess — und gleichwohl mit ihrer Erfahrung, ihrem ungemeinen Wissen über ihren Mann und seinem Werk beratend zur Seite stand. Am 13. Mai 1995 war es dann soweit: Die über dreieinhalb Wochen aufgebaute Ausstellung stand, sie konnte festlich eröffnet werden.
an der Vernissage von «Kunst im Kleinen» im Auditorium des HEM |
(speech) |
Freude herrscht! |
Dialog |
Rundgang |
Die Wertzeichenabteilung der PTT unterstützte das Projekt massgeblich, z.B. indem sie mir Einsicht in sämtliche Unterlagen zu den Erni-Briefmarken gab und erstmals detaillierte Informationen zu einzelnen Auflagen offenlegte. Ihr oberster Chef, Bundesrat Adolf Ogi als Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements, übernahm die Schirmherrschaft der Ausstellung.
KiK CH-31, die Glückwunschkarte der Kreispostdirektion Luzern (inside)
Geplant war die Ausstellung bis Ende 1995, doch wurde sie dann bis April 1996 verlängert. Im Hans Erni-Museum waren auf zwei Stockwerken alle philatelistischen und numismatischen Werke Hans Ernis zu sehen, einschliesslich der Originalentwürfe — eine Leihgabe der PTT —, vieler Skizzen, Studien, Tagebuchauszüge und Modelle, sowie zum jeweiligen Thema passende Gemälde und Plakate. Die dort ausgestellte Sammlung dürfte die umfangreichste zum Thema «Kunst im Kleinen» gewesen sein: Über 500 Belege in rd. 130 Rahmen.
die HMZ vom März 1995 zeigte den Piaget d'Or auf dem Titelblatt
und berichtete als erste Fachzeitschrift über KiK;
Hans-Peter Capons Editorial, der Artikel und der Bericht zur Ausstellung
Die Ausstellung in Luzern war erfolgreich, es fanden mehrere Führungen statt (pic 2), u.a. mit der GD PTT Bern, dem Numismatischen Verein Zürich, der AKSV-Schweiz und Artefides.
das Echo auf KiK war allgemein und besonders aus
Fachkreisen
sehr positiv, und 2011 schrieb Books on Stamps, Freeport/NY:
«(…) this is an amazing 320 page catalog that is very heavily
illustrated. (…) It has over 500 illustrations. (…)
The illustrations are magnificient and each is a work of art.»
Zusätzlich zu den 5'000 Stück der Normalausgabe wurden 150 Exemplare in Leinen gebunden, mit eingelassener Tramelan-Bronzeplakette geschmückt und als Paar mit der anlässlich von KiK gestalteten Lithographie als Vorzugsausgabe angeboten (der Sonderbrief «Die Sammlerin» trägt hier die Numerierung I–CL).
diese wunderbare Arbeit des Buchbinders war
Bestandteil der Vorzugsausgabe, 1995
Die Luxusausgabe wurde im HEM, aber auch von Galerien angeboten (u.a. von der Luzerner Galerie Artefides) und ist seit langem ausverkauft.
«der Philatelist», Lithographie vierfarbig, 1994,
Bestandteil der Vorzugsausgabe (Skizze)
Die KiK-Sprösslinge (z.B. die Sonderedition und die Tochterausstellungen) werden bei Gelegenheit in einem eigenen Rückblick gezeigt.
PS: Falls Sie den KiK-Rückblick ergänzen können, bin ich um Ihre Mitteilung dankbar.